Niederländische Dörfer machen sich unabhängig von Weltwirtschaft

Bis 2050 werden mindestens zehn Milliarden Menschen auf der Erde leben. Kostbares Wasser, gesunde Ernährungsquellen und knappes Ackerland sind die Stichworte der wichtigsten globalen Fragen, die in den nächsten Jahrzehnten beantwortet werden müssen. Ein autarkes Dorf, das alles, was seine Bewohner benötigen, selbst produziert, – das ist eine Antwort auf diese Fragen und klingt zugleich wie eine Utopie. Diese Zukunft könnte für ein Dorf in den Niederlanden Wirklichkeit werden.

Das Essen, gezogen in Gewächshäusern vor der eigenen Haustür, der Strom aus erneuerbaren Energien, das Wasser direkt in der Nachbarschaft gesammelt und der Müll  kaum vorhanden, da es eine beinahe komplette Kreislaufwirtschaft gibt, – das klingt fantastisch und doch so fern, dabei ist es das nicht. Denn: In der Nähe der niederländischen Stadt Almere arbeiten Gruppen daran, diesen Traum wahr werden zu lassen. Hier soll das sogenannte ReGen-Dorf entstehen, ein regeneratives Dorf, das völlig unabhängig von der Weltwirtschaft funktionieren soll.

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Foto: Regen Villages Holding B.V / EFFEKT

Innerhalb der nächsten Jahre soll das ReGen-Dorf erbaut werden, als die weltweit erste autarke Dorfgemeinde, die nicht nur ihre eigene Energie erzeugt, sondern auch dafür sorgt, dass die Bewohner ihre eigenen Lebensmittel gewinnen können. Das Konzept ReGen-Dorf umfasst Wohngebäude, Gewächshäuser und verschiedene öffentliche Gebäude.

WIE FUNKTIONIERT DER SELF-SERVICE?

Aber wie funktioniert die Selbständigkeit? Der Erfinder der ReGen-Dörfer, der US-Amerikaner James Ehrlich, hat zusammen mit dem dänischen Architektenbüro EFFEKT zahlreiche Zyklen zu einem komplexen, autarken System zusammengefasst. Im Großen und Ganzen gibt es vier Bereiche: Nahrungsmittel-, Wasser- und Energieversorgung und natürlich die Abfallentsorgung.

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Foto: Regen Villages Holding B.V / EFFEKT

Zahlreiche Produktionsstätten im Dorf greifen ineinander: Gewöhnliche jahreszeitabhängige Gärten, beheizte Gewächshäuser, vertikale Farmen, Viehzucht und Aquaponik mit 120 Quadratmetern Nutzfläche. Bei Letztem handelt es sich um eine Fischzucht, die mit Pflanzenkultivierung aus der Hydrokultur kombiniert wird, indem die Exkremente des Fisches als Dünger für die Pflanzen verwendet werden. Die Fische werden mit Fliegenlarven gefüttert.

Da sich die Fliegen genauso wie die zur Fleischproduktion gehaltenen Nutztiere von kompostiertem Abfall ernähren, überschneiden sich an dieser Stelle die Kreisläufe der Nahrungsmittelproduktion und der Müllentsorgung. Die unkompostierbare Komponente des Mülls wird hingegen zur Energieproduktion verbrannt – die nächste Überlappung im Kreislaufsystem der ReGen-Dörfer. Die verbleibende benötigte Energie soll durch Solaranlagen und Biogasanlagen abgedeckt werden. Überschüssige Energie wird gespeichert und dem Dorf zugeführt.

Was übrig bleibt, ist die Wasserversorgung: Nach dem Konzept von Ehrlich und EFFEKT soll das Regenwasser gleichermaßen als Bewässerung und Trinkwasser dienen, in gefilterter und ungefilterter Variante.

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Foto: Regen Villages Holding B.V / EFFEKT

KEINE NEUEN ERFINDUNGEN, SONDERN EIN GANZHEITLICHES INTELLIGENTES SYSTEM

Mit ReGen-Dörfern wird das Rad nicht neu erfunden, sondern es werden bekannte Technologien eingesetzt und intelligent miteinander kombiniert. Mithilfe modernster Technik wollen die Macher des ReGen-Dorfes einen zehnfachen Ernteertrag erzielen und gleichzeitig 90 Prozent weniger Wasser verbrauchen. Auch der Flächenverbrauch dürfte geringer ausfallen. Nur 639 Quadratmeter Land sollen für eine dreiköpfige Familie genutzt werden. Zur Veranschaulichung: Für einen vergleichbaren Ertrag sind normalerweise mindestens 8.100 Quadratmeter erforderlich.

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Foto: Regen Villages Holding B.V / EFFEKT

ReGen-Dörfer – ein Konzept, das einen Nerv trifft. Nicht nur, dass das Projekt mehrfach ausgezeichnet wurde, es ist auch eine gute Sache, die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht nur auf die Niederlande begrenzen wird. Da der Ansturm auf das Dorf groß ist, – 6.500 potenzielle Bürger haben sich bereits als Bewohner beworben, – planen die Projektträger von ReGen-Village ähnliche Projekte in Dänemark, Norwegen und Deutschland.

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Foto: Regen Villages Holding B.V / EFFEKT
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Foto: Regen Villages Holding B.V / EFFEKT
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Foto: Regen Villages Holding B.V / EFFEKT

39 Kommentare zu „Niederländische Dörfer machen sich unabhängig von Weltwirtschaft

    1. Das ist der einzige Weg um sich von den Konzernen zu lösen, da Nachhaltigkeit, Umweltbewusstsein und ökologischer Anbau Fremdworte sind. Obwohl ich den Anbau ohne Gewächshäuser besser finden würde. Das ist einfach natürlicher; Sonne , gesunder Boden-Nährstoffe, Sauerstoff die die Pflanzen direkt nutzen können finde ich besser. Voraussetzung ist dann ein gesunder Boden. Obwohl Gewächshäuser auch viele Vorteile haben.

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      1. Plants need light to survive and grow. Therefore, the only way that „vertical“ farming can work is if you add lights to every level…. in these proyect I can only see shadow…. therefore this would NEVER work. I would suggest architects that before making these kind of proposal, maybe consulting with a plant sciences could be helpful, to create more realistic solutions…

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      2. Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen… Immerhin gehen sie ein Schritt in die richtige Richtung, man kann immer viel negatives sehen… Ich schätze den spirit und vor allem die Initiative dahinter 😉

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    2. Starke Pflanzen sind nicht so anfällig, also gut darum kümmern (Substrat, Nährstoffe, Luftfeuchtigkeit, Licht, Temperatur… )
      Platz für Nützlinge schaffen, hält Schädlinge in Schach.
      Keine hochgezüchteten Sorten verwenden, Kulturen mischen („gute Nachbarn“-Konzept)
      Befall gleich eindämmen/behandeln, es gibt sehr gute unbedenkliche Wirkstoffe (Seifen, Öle, Sude/Tees)

      Gibt unzählige Methoden und für alles eine gute Lösung 😉
      Viel zu tun ist klarerweise…

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    3. In der Alten Mälze in Berlin gibt es die Synergie aus Hydrokultur Tomatenzucht und Fischzucht. Die Tomaten wachsen auf Steinwolle, alle Nährstoffe kommen von den Fischen. Dadurch bringt man keine Schädlinge über die Erde rein. Ob sie weitere Vorkehrungen wie Luftfilter haben weiß ich leider nicht. Der Strom kommt dort ausschließlich aus PV, Wassernachspeisung aus Regenwasser.

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      1. Das stimmt so nicht. In der Anlage werden seit geraumer Zeit schon keine Tomaten mehr angebaut, sondern ausschließlich Basilikum.

        Die Energieversorgung stammt nicht aus PV, das ist schlichtweg falsch.

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    4. Warum sollen sie verstärkt auftreten? Solche Systeme funktionieren mit Nützlingen. Die gibt es bereits erfolgreich gewerblich z.B. bei London, in New York und so fort. Wie im Artikel steht: Zusammenführung bereits bestehender Möglichkeiten.

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    1. PowerToGas -> Wasserstoff funktioniert super als Langzeitspeicher. Einzig der Wirkungsgrad ist relativ bescheiden. Würde aber gleichzeitig ebenfalls als Energiequelle für Fahrräder (anstatt Akkus) dienen können.

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      1. Wasserstoff ist als Molekül viel zu klein, daher der Schlupf aus Leitungen, Speichern viel zu groß. Mikrobielle Umwandlung in Methan wäre die Lösung!

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    2. Funktionierende Langzeitspeicher gibt es – in Form von z.B. Speicherseen. Was man also braucht sind Berge, oder ähnliche Erhebungen, wo man das Wasser (mit dem überschüssigen Strom) raufpumpen kann. Bei bedarf, lässt man das Wasser von oben wieder abfließen, treibt es dabei durch eine Turbine und generiert somit wieder Strom.

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    3. Ein Oldschool Speicher aus zwei verschiedenen Flüssigkeiten (Salzwasser), die unterschiedlich viele Elektronen binden, sind gerade in einem unterirdischen Test in Niedersachsen.
      Habe ich auf NDR Info oder Deutschlandfunk heute, am 18.12. morgens gehört. Eine Energiemenge die dem Verbrauch von Berlin pro Stunde entspricht, wird dort lagern können.

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  1. Wer stellt die Elektrogeräte her und wie werden diese entsorgt? Wo kommen die seltenen Materialien her die in den elektronischen Produkten verbaut sind? Oder wird auf sowas verzichtet?

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  2. Funktionierende Langzeitspeicher gibt es – in Form von z.B. Speicherseen. Was man also braucht sind Berge, oder ähnliche Erhebungen, wo man das Wasser (mit dem überschüssigen Strom) raufpumpen kann. Bei bedarf, lässt man das Wasser von oben wieder abfließen, treibt es dabei durch eine Turbine und generiert somit wieder Strom.

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  3. Ich vermisse die Lösung zum Getreideanbau.

    Mini-Mähdrescher im Gewächshaus? Betrieben mit selbst erzeugtem Sonnenblumenöl? Oder kommt der weltweit erste Photovoltaik-Mähdrescher zum Einsatz?

    Oder soll von Hand geerntet und dem guten alten Dreschflegel zu einem Revival verholfen werden, um dann aufgrund der Knochenarbeit mit 50 in die Kiste zu hüpfen?

    Oder wird komplett auf Brot und andere Getreideprodukte verzichtet? Das erste glutenfreie Dorf?!

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  4. wir sind mit einigen Menschen bereits dabei eine Basis zu erweitern. Ziel: Autharkes Dorf!
    Bei Gera / Thüringen. Einiges mehr in Planung. Aktive Hilfe gerne willkommen!!! Infos Auszüge Gesamt-/ Einzellösungen siehe unter docs.stadtnetz.ag
    Kontaktaufnahme steht in den Dokumenten. Es ist an der Zeit!

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  5. Eine interessante Idee, nur passen Sie bitte auf, dass die Glashäuser nicht zu Vogelfallen werden. Der sogenannte „Vogelschlag an Glas“ ist jetzt schon eines der größten Vogelschutzprobleme unserer Zeit. Und Natur- und Umweltschutz sollten nicht widersprüchlich sein. Man kann Glasfassaden vogelfreundlich gestalten!
    Alle Infos zum Thema sowie Lösungen und nicht-Lösungen unter http://www.vogelsicherheit-an-glas.de

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  6. Mich interessiert auch die gemeinschaftliche Struktur
    Wie wird die Arbeit verteilt? Tausch bzw Schenk Wirtschaft ist interessant wie in matriarchalen Gemeinschaften

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  7. Das finde ich toll.Was ich weniger gut finde das in manchen Beiträgen die Zeit wieder zurück gedreht wird wenn da von Dreschflegel geschrieben wird.
    Es sollte doch in der Zukunft neue Technik kommen um den Klimawandel zu stoppen.

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  8. Eine schöne Idee, allerdings in der präsentierten Form leider nur eine Utopie.

    Konkrete Kritikpunkte:

    – Die Wohneinheiten sind viel zu klein (Einfamilienhäuser). Energieeffizienz und
    Ressourcenoptimierung lässt sich in klassischer Blockbebauung sehr viel besser realisieren.

    – Der Unterglasanbau in kleinen, individuellen Einheiten wird irrsinnig teuer sein.
    Die produzierten Produkte werden locker Faktor 10 teurer sein als klassische Bioware.

    – Gleiches gilt für kleine Aquaponikeinheiten. Aquaponik hat nur eine Chance rentabel zu sein, wenn die Einheiten oberhalb einer gewissen Mindestgröße liegen. Wo diese genau liegt, weis keiner genau, die Angaben variieren zw. 1000m2 und 6000m2 Hydrokulturfläche.

    – Die Stoffströme hat noch keiner nachvollziehbar durchgerechnet und aufeinander abgestimmt. Der Kreislauf „Nahrung -> Reste -> Fliegenlarven -> Fische -> Pflanzen -> Nahrung“ ist kein Perpetuum Mobile. Die vollständige, funktionierende Schließung dieses Kreislauf müsste a) die menschlichen Exkremente einschließen und benötigt b) viel Fläche.

    – Die abgebildeten vertikalen Beetsysteme haben extrem viel Verschattung. Der Ertrag wird mehr als suboptimal sein. Haben bei uns an der Uni vertikale Beetsysteme getestet, mit deutlichem Minderertrag. Die Fläche zwischen den Gebäuden ist verschenkte Fläche.

    – Die Wohngebäude unter Glas werden im Sommer ein riesiges Klimatisierungsproblem bekommen. Dadurch, dass die Gebäude einfach unter Glas gestellt werden, bekommt man eine harte Kopplung zwischen Wohnraumtemperatur und Sonneneinstrahlung. Ist schwer zu regeln. Besser, aber weniger sexy wären klassische Solarkollektoren und/oder Photovoltaikeinheiten.

    Die Liste ließe sich problemlos erweitern. Da haben leider Architekten, Stadt- und Landschaftsplaner einen schönen Plan gemacht, ohne jemanden zu fragen, der sich auskennt.

    Lest „A pattern language“ (Eine Mustersprache) von Christopher Alexander.
    Da sind die richtigen Ansätze für das was ihr alle haben wollt drin.

    -rolf

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  9. Wunderbare Idee! Wenn alles giftfrei und ökologisch sein soll und an eine (auch vegane) Bio-Vollwertverpflegung gedacht ist, würden wir uns gern bewerben! (info@heckenschutz.de)

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  10. Stattdessen Dörfer wie vor 250 Jahren!
    Aber wo ist da dann die moderne Klinik,
    die wir uns doch wünschen?
    Ich bin Architekt und lächle nur über diese
    Utopien, die visualisiert so toll ausschauen.

    MfG OD

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  11. Das ganze hoert sich gut an Abwasser wurde nicht affiliates.Dann sollten alle da mitmachen sonst ist im Ernst Fall mit Raub,Mord,und Totschlag zu rechnen.Wenn den anderen die Nahrung ausgeht .

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